DE / EN
Logo Martin Reiter

Neues Album noch vor Weihnachten

24. November 2021

Liebe Freunde der Musik,

in Zeiten wie diesen Musik zu releasen macht als Jazzmusiker finanziell keinen Sinn. Zugegebener Maßen ist das in anderen Zeiten kaum besser, aber jetzt fehlen uns wieder Auftrittsmöglichkeiten, bei denen wir am ehesten noch Tonträger verkaufen. Ich möchte gar nicht vor rechnen, was so eine Veröffentlichung für Kosten nach sich zieht, ganz zu schweigen davon, wie lange wir Künstler damit beschäftigt sind und wieviel Zeit wir damit verbringen. Nein, ich würde es gerne für Euch einmal von der anderen Seite beleuchten und beschreiben, was es inhaltlich bedeuten kann.

In meinem Fall hat sich in den letzten beiden Jahren seit der Aufnahme von "esteem" sehr viel geändert. Ich habe mir ein paar grundsätzliche Fragen stellen dürfen, Dinge wie "warum gehe ich eigentlich auf eine Bühne" oder "warum mache ich eigentlich Musik" und ich kann nicht behaupten endgültige Antworten gefunden zu haben - vielleicht sollen das auch offene Fragestellungen bleiben. Ich habe aber sehr wohl für mich herausfinden dürfen, dass mich im Laufe der Zeit bestimmte Facetten an der Musik immer weniger interessieren, z. B. Perfektionsmus; was Zuhörer genau darüber denken; Virtuosität; ein zeitgenössischer Touch oder irgend ein nach außen gerichtetes Attribut, durch das ich mich oder meinen Release besonders interessant fühlen könnte. Ganz konkret habe ich besonders dieses Jahr nach neuen Qualitäten in der Musik gesucht, die ich selbst höre und zwar fühlte ich das starke Verlangen, zur Ruhe kommen zu können, Musik zu finden, die auf einer Ebene Tiefe, Frieden, Balance und Ruhe vermitteln könnte und ich habe begonnen, das auch in meiner eigenen Musik zu suchen. Diese Idee hat mich überhaupt dazu gebracht, eine neue Solo Piano Recording Session Ende September auszumachen. Wie immer habe ich mich sehr intensiv vorbereitet und dieser Phase 20 neue kleine Stücke komponiert, hauptsächlich ruhige und langsame Walzer. Ich habe mich sehr darauf gefreut, diese brandneuen Kompositionen auf Tonträger zu bannen, wollte aber auch wieder frei improvisieren wie bei jeder meiner Solo Piano Sessions. Es war eine Freude, 2 Tage lang mit Thomas Lang arbeiten zu dürfen und am Ende stand ich mit knapp 7h Musik da, die durchforstet werden wollten. Ganz bewusst habe ich mir für den Prozess des Durchhörens sehr, sehr viel Zeit gelassen, mehrere Wochen und es war erstaunlich dass ich wiederum keine der Kompositionen so verewigen konnte, dass ich damit zufrieden war. Ich habe darin diese bestimmte Tiefe und Ruhe vermisst, nach denen ich eigenltich auf der Suche bin. Während des Aufnehmens war ich mir aber sehr wohl bewusst, dass ich diese in meiner neuen Musik transportieren wollte und habe teilweise absichtlich sehr langsame Tempi gewählt. Das alles half aber nichts und beim Anhören sämtlicher Kompositionen empfand ich nicht so eine Ruhe wie mit vielen der spontanen Improvisationen. Letztere können naturgemäß nie so komplex sein, variantenreich, gefinkelt oder ausgecheckt, aber anscheinend haben für mich alle diese Adjektive nichts mit dem Empfinden von Ruhe oder Tiefe zu tun. Es hat ein wenig gedauert, dass ich mir das eingestehen konnte, da ich im Kopf schon Pläne hatte wie ein Album mit Schlafliedern oder ein Album mit ausschließlich Walzern. Ich musste auf Grund des Ergebnisses alles revidieren und ehrlich zu mir selber sein, dass ich die von mir gesuchte musikalische Qualität über alles andere stellen will!

Nun vertraue ich darauf, dass das was mich am musikalischen Ergebnis fasziniert, auch für Euch einen Wert haben könnte. Ganz im Ernst habe ich das starke Bedürfnis, Euch diese Musik zu "schenken" ohne einen Gedanken an meine Karriere, irgendwelche Pressemeldungen oder an einen Einkommen. Wenn einer der 11 Tracks nur eine andere Person auf der Welt berührt, Tiefe & Ruhe vermittelt (wenigesten im Moment des Hörens), dann ist meine Mission erfüllt. In der Zwischenzeit hatte ich mit einer ganz anderen Band ein berührendes Erlebnis in einem Tonstudio. Ich durfte 2 Tage lang auf einem wunderbaren Flügel aufnehmen und am Ende der Recording Session stand noch ein Duo mit Klavier und Gesang am Programm. Als ich beim ersten Probeversuch das Intro gespielt habe, musste die Sängerin weinen und hat sich dafür fast entschuldigt und was war meine impulsive Reaktion darauf? Ich konnte voller Ehrlichkeit sagen "das ist alles, was ich im Leben erreichen will." (dass meine Musik andere Menschen berührt; wobei ich das mit "meine" Musik gerne umformulieren würde, da ich denke, dass mir die Musik nicht gehört. In Momenten, die für mich wie ein Geschenk sind, darf Musik durch mich fliessen und da können Tiefe und Ruhe zum Tragen können. Sobald ich mein Ego einschalte und von "meiner" Musik zu reden beginne, kommt es zu einer Schieflage, die dieses Fliessen nicht mehr erlaubt - das ist meine Sicht der Dinge!)

Ich möchte Euch also dieses Album schenken. Es wird ein digitaler Release und hoffentlich noch vor Weihnachten auf den einschlägigen Plattformen zur Verfügung stehen. Ich halte Euch am Laufenden! Wenn ihr Euch erkenntlich zeigen wollt, dann sagt einfach Euren Freunden weiter, dass Euch die Musik gefällt.

Euer Martin

 

« Zurück