Authentizität
22. September 2022Willkommen zu meinem neuen Blog, in dem ich gerne auf Fragen der (Künstler-)Persönlichkeitsentwicklung eingehen möchte. Es fasziniert mich, wie es dabei um Themen geht, die uns alle berühren, auch jene, die nicht auf einer Bühne stehen oder im Atelier arbeiten, sei es nun als so genannte Amateure oder Profis.
Letztens hat mich vor allem die Frage beschäftigt, wie ich ein sattes und gesundes "ich bin wie
ich bin“ verwirklichen kann als Ausgangspunkt auf der Suche nach mehr Authentizität und dabei ist mir aufgefallen, wie sehr ich mich selber in meinem Kommunikationsverhalten daran gehindert habe ich selbst“ zu sein, z. B. indem ich Anteile meiner Persönlichkeit in gewissen Situationen versteckt habe, weil ich gedacht habe, sie wären für gewisse Menschen nicht zumutbar. Es gibt genügend Studien, wie oft am Tag Menschen lügen und die Häufigkeit ist erschreckend, auch wenn es nur kleine Notlügen sind oder Halbwahrheiten. Dabei wird darauf vergessen, welche Macht Worte haben können und dass nach außen getragene Gedanken Aktionen und Reaktionen zur Folge haben ohne eine Art von TÜV sozusagen ;-) und ohne der Überprüfung der Echtheit oder Authentizität. Folgendes ist dazu vorgestern auf Papier geflossen:
Gerade eben kommt mir noch eine Einsicht und zwar, dass ich den Anderen, mein Gegenüber, bevormunde indem ich ihm/ihr nicht die ganze Wahrheit zutraue. Wenn ich jmd. eine Notlüge aufgetischt habe, warum habe ich das denn gemacht?
Möglichkeiten:
- aus Angst vor Ablehnung, Zurückweisung, vorm alleine gelassen werden (im Extremfall existenzielle Ängste)
- weil ich ihn oder sie beschützen wollte vor Ängsten und Sorgen
- weil es scheinbar einfacher war und unkomplizierter ("bis ich dem/der jetzt das erkläre… der/die versteht das doch eh nicht… das ist mir jetzt zu mühsam. Lieber sage ich aus Bequemlichkeit nicht die ganze Wahrheit“)
- aus dem Wunsch nach Zugehörigkeit zu einer begehrten Gemeinschaft, in der Hoffnung ein Bild von mir zu erzeugen, das dazu führen sollte, dass ich mehr oder besser integriert werde, mehr oder besser akzeptiert werde.
Diese Verhaltensmuster führen weg von der eigenen Authentizität. Wenn ich so sein will, wie ich bin, dann könnte ich damit beginnen, herauszufinden, was ich denke, was ich fühle, welche Bedürfnisse, Einstellungen ich habe und dann könnte ich in einem nächsten Schritt das alles (mit)teilen. Das führt dazu, dass ich mein ich-Sein nach außen trage, dass ich meine Mitmenschen teilhaben lasse an meinem Bild von der Welt. So können sie mich überhaupt erst sehen und erkennen. Was wäre ich sonst? Ein Nachahmer, ein Imitator, ein Mitläufer, ein Wiederholer, ein nachplappernder Papagei - ich wäre dann nicht ich, sondern ein angepasstes Produkt familiärer und gesellschaftlicher Umstände. Mit genügend Halbwahrheiten und Notlügen kann ich sehr lange in diesem Sumpf baden und dabei kann es sich sogar bequem und warm anfühlen. Ich sinke allmählich tiefer und das Befreien wird immer schwieriger ohne dass ich je eine Alternative kennen gelernt hätte. Diese vermeide ich vielleicht aus Angst vor Anstrengung. Dabei bringe ich mich um die Erkenntnis, dass es in Wahrheit leichter fällt, authentisch zu sein, denn plötzlich stehen jene Energie und Kraft zur Verfügung, die ich zuvor gebraucht habe, um mich zu verbiegen. Es stellt sich die Frage: "Was hat es mich gekostet, das Verbiegen, das Notlügen, das Ausloten vermeintlicher Erwartungen der anderen und deren Erfüllung bzw. das Verstellen, um das Nicht-Erfüllen jener vermeintlichen Erwartungen zu überspielen?“ Die ehrliche Antwort: sehr viel!
Ich bin in gewisser Weise frei, wenn ich einen Schritt in die Richtung gehe: "Nimm mich wie ich bin oder lass es bleiben! Es ist mir egal. Ich passe mich nicht an, um von Dir akzeptiert zu werden!“ Ist das nicht eine immense Erleichterung? Möglicherweise kostet dieser Zustand eine andere Art von Kraftaufwand und zwar das in Kontakt bleiben mit mir selbst, das Wissen um die eigene Befindlichkeit, das Spüren der eigenen Emotionen, das Formulieren der eigenen Wünsche, das Hören der eigenen Frequenz und das nach außen Tragen dieser Erkenntnisse. Das ist eine Aufgabe und manchmal keine leichte, doch eine wunderschöne und lohnende und es ist ein hundertprozentiges Investieren in eine positive Art der Selbstverwirklichung.
Nicht zuletzt gebe ich anderen Menschen dadurch die Gelegenheit, über sich selbst nachzudenken. Denn wenn ich sie im Auftischen von Notlügen und Halbwahrheiten nicht mehr bevormunde, hole ich sie womöglich aus ihrer Komfortzone, ihrem eigenen Sumpf. Wenn für mich selbst keine Ängste mehr bestehen, nicht akzeptiert zu werden, dann ist der Schritt, die ganze Wahrheit zu äußern kein Risiko mehr. Anderen ist diese eigene Wahrheit nicht nur zuzumuten sondern es ist geradezu ein Anstoß für sie, sich mit deren eigener Wahrheit zu konfrontieren, schmerzvolle Erfahrungen mit einbegriffen. Auf diesem Weg können das zu sich Stehen, das sich selbst Akzeptieren, das Äußern der eigenen Wahrheit, das authentisch Sein zu einer Form der Selbstverwirklichung führen, die notgedrungen Wellen schlägt und für mehr Selbstverwirklichung der anderen sorgt. Und das Großartige ist, dass ich nicht nur einem Menschen Denkanstöße gebe, sondern wenn ich mich in jeder Lebenslage zu mir bekenne, meinem gesamten Umfeld. Welche positiven Wellen könnte das schlagen und welche Veränderungen in unserer Welt könnte das ins Rollen bringen?